Mein Vater gab mir den besten Rat meines Lebens. Er sagte:
‘Was du auch tust, auf keinen Fall darfst du mit 65 aufwachen
und darüber nachdenken, was du versäumt hast.’
George Clooney
Als ich im letzten Studienjahr war, begann ich in einer kleinen Schmuck-Boutique als Verkäuferin zu arbeiten. Ich liebte die Arbeit im “Bonbon”. Das Umgehen mit schönen Dingen, das Beraten der Kundschaft, die Verantwortung für den Laden – und meine 3 Kolleginnen, Bettina, Kerstin und Tina.
Wir waren eine richtige Girl Gang, die auch außerhalb des Jobs Dinge zusammen unternahm. Wir gingen ins Kino, besuchten uns gegenseitig, quatschten und feierten Geburtstage und Hochzeiten zusammen.
Ich kann mich noch genau an Bettinas Hochzeit erinnern. Unter anderem deshalb, weil mir auf dem Weg dorthin ein dicker Vogel auf den Kopf kackte. Aber so richtig! Nun ja, damals war meine Frisur auch nicht komplizierter als heute und so entfernte ich einfach bei meiner Freundin kurz das Gröbste und auf ging es zur Feier.
Im Herbst desselben Jahres zog ich nach Stuttgart, um dort meinen ersten „richtigen“ Job anzunehmen. Unser Kleeblatt zerstreute sich und ich sah Bettina das letzte Mal zur Vorbereitung meiner eigenen Hochzeit im Jahr 2002.
Tina zog später an die Ostsee und Kerstin ging nach Griechenland. So manches Mal habe ich an die Mädels gedacht und immer wieder versucht, sie zu kontaktieren.
Erst vor zwei Monaten haben Kerstin und ich uns über die sozialen Medien wieder gefunden und darüber gesprochen, dass wir ein Bonbon-Treffen organisieren könnten. Doch dabei blieb es.
Sechs Wochen später erhielt ich eine E-Mail von Bettinas Mann Tobias: Bettina war gestorben.
Ich war so traurig.
Und sofort hatte ich ihr Gesicht vor Augen, als wäre es gestern gewesen.
Sie war so eine liebe Frau. Musikalisch, fest in ihrem Glauben, lustig und pragmatisch. Ich machte mich immer über sie lustig, wenn sie sagte: „Man muss doch nicht so schnell fahren“, weil ich es liebte, zügig unterwegs zu sein und sie es eher gemächlich mochte.
Ich konnte es nicht fassen, dass wir die Zeit haben einfach so verstreichen lassen, ohne uns noch einmal zu sehen oder miteinander zu sprechen.
Doch nun… ist es zu spät.
Ihre Trauerfeier überstand ich nur mit Mühe. Es war schön, Tobias noch einmal zu treffen und ihre drei Kinder zu sehen. Die Trauer der Gemeinde konnte ich bereits zwei Blocks vor der Kirche spüren und sie überwältigte mich fast.
In solchen Situationen bin ich froh, dass ich EFT gelernt habe. Denn das ist die beste Erste-Hilfe-Maßnahme, die ich kenne, um in herausfordernden Situationen „bei Sinnen“ und funktionsfähig zu bleiben.
In der Kirche musste ich ständig weinen und fragte mich, wie es so viele andere schafften, es nicht zu tun.
Nach der Beisetzung auf dem Friedhof machte ich mich wieder auf den Heimweg. Mir stand nicht der Sinn nach Gesprächen oder Kaffee. Meine Gedanken und Gefühle kreisten um Bettina, ihr Leben und um nicht wahrgenommene Chancen.
Deshalb verlangte ich mir auf dem Weg zurück ein Versprechen ab:
Ich schiebe meine Träume nicht mehr auf!
Und auch nicht das, was ich schon immer mal machen wollte.
Jetzt, hier, habe ich nur dieses EINE Leben.
Und ich bin gekommen, um es GANZ zu leben.
Mein größtes Potenzial.
Meine einzigartigen Begabungen.
Meine Geschenke für die Erde in dieser Zeit.
Ich werde mich nicht mehr zurückhalten.
Ich lebe und ich liebe mein Leben zu 100 Prozent.
Ohne Kompromisse.
Ganz und gar.
Und ich sage Dir: ICH LIEBE DICH!
Ich kann nicht anders, als die Menschen zu lieben. Auch den Schnösel, den Fiesling oder die, die mich nicht wahrhaft sehen können. Ich liebe Euch alle!
Ich liebe meine Familie. Meinen Mann, unseren Sohn, meine Schwester, meine Mutter und meinen Vater.
Und weil ich meinen Vater schon seit seiner Nahtoderfahrung im Jahr 2018 interviewen wollte, werde ich es jetzt endlich tun.
Denn er wird nicht immer da sein. Ich werde nicht immer von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprechen können. Ich werde nicht immer die Fragen stellen können, die ich an ihn habe.
Doch jetzt kann ich es noch. Und ich freue mich schon auf unsere gemeinsame Zeit.
Jetzt – und nicht erst später… oder nie.
Und Du? Was wolltest Du schon immer tun oder sagen oder erleben?
Wie lange willst Du noch warten, bis Du es tust?
In LOVEinity
Sophia Sabine
❤🤍🕊
P.S.: Einen Tag nach der Trauerfeier stand dieser Regenbogen über dem Tal. Es ist der erste, den ich je in dieser Himmelsrichtung gesehen habe.